Dietmar Zöller

Entwicklungsförderung und "gestütztes Schreiben"

 
Ein Beitrag zum Streit um die Gestützte Kommunikation (FC)

1.      
Die Gestützte Kommunikation (FC) ist keine isoliert zu betrachtende Kommunikationsmethode, sondern gehört zur Unterstützten Kommunikation (UK) , d.h. dass FC zu den zahlreichen Bemühungen gehört, Menschen, die nicht sprechen können, dazu zu verhelfen, trotzdem zu kommunizieren.
2.      
Die Berührung von Hand oder Arm, das sog. Stützen, ist eine Notlösung, die u.a. die Auge-Hand-Koordination ermöglicht bzw. verbessert.
3.      
Es ist wichtig, im frühen Kindesalter darauf zu achten, dass autistische Kinder lernen, mit dem Zeigefinger auf etwas zu zeigen, das führt dann hoffentlich auch dazu, einer anderen Person etwas zeigen
zu wollen. (geteilte Aufmerksamkeit)
4.      
Ein solches Kind kann im Schulalter lernen auf Buchstaben zu zeigen. So bahnt man das gestützte Schreiben an, immer mit dem
Ziel vor Augen, dass das „Stützen“ (die Berührung) langfristig überflüssig wird. In vielen Fällen wird allerdings das „Stützen“ ein Leben lang notwendig sein. Diese Menschen dürfen nicht diskriminiert werden. Was sie schreiben, ist nicht zwangsläufig fremdbestimmt.
5.      
Als FC in Deutschland bekannt wurde, lernten zahlreiche erwachsene Autisten, die nicht sprechen konnten, gestützt auf Buchstaben zu zeigen. Nicht bei allen gelang es, dass eine Kommunikation
möglich wurde. Die erfolgreich waren, zeigten in etlichen Fällen Fähigkeiten, die ihnen niemand beigebracht hatte. Es waren alles Menschen, die als geistig behindert diagnostiziert worden waren und denen in der Schule die Kulturtechniken gar nicht oder nur in Ansätzen vermittelt wurden. Für diese Menschen ist es oft gar nicht mehr möglich zu lernen, ohne eine Stützperson auszukommen.
 
   6. Autistische Kinder brauchen eine umfassende Entwicklungsförderung im Vorschulalter, dazu gehören die Förderung von Sprache und Sprachverständnis, die Förderung von Interaktion und Kommunikation, wie auch die Förderung von motorischen und feinmotorischen Fähigkeiten. 

7. Wie man in der Frühförderung, in Kindergarten und Schule das (gestützte) Schreiben vorbereiten, anbahnen und fördern kann 
 Das Schreiben auf einer Tastatur und das Schreiben mit der Hand sollten gleichermaßen vorbereitet und gefördert werden.

 Aufmerksamkeitsreaktionen provozieren, versuchen, wenigstens kurzen Blickkontakt zu erreichen
Da die Nachahmungsfähigkeit oft sehr schwach ausgebildet ist, einfache Gesten zuerst mit Handführung nachahmen lassen, dann die Hilfestellung zurücknehmen, evtl. noch stützen.
     
Wenn das Kind nicht aktiv wird, wenn man es verbal zu etwas auffordert, sollte die gewünschte Bewegung so lange mit dem Körper des Kindes geführt werden, bis der motorische Ablauf gelernt wurde, dann nur noch Impulse geben.
        
Gezielt auf Gegenstände und Bilder zeigen lassen. Handführung zuerst möglich, dann stützen, wobei diese Hilfestellung bald ausgeblendet werden sollte. (Förderung der Auge-Hand-Koordination)
        
Zur Kommunikationsförderung gemeinsam etwas anschauen und üben, sich gegenseitig auf Gegenstände oder Bilder aufmerksam zu machen (Geteilte Aufmerksamkeit)

Kommunikationsanbahnung durch Gesten (einfache Zeichen für Ja und Nein), Wünsche durch Zeigen auf Gegenstände oder Bilder ausdrücken oder Bildkarten mit dem Gewünschten sich in die Hand geben lassen. „Gib mir die Karte mit…“
        
Interaktionsübungen wie: „Ich gebe dir die Karte mit der Puppe, gib du mir die Karte mit dem Teddy.“
      
Buchstaben oder ganze Wörter einführen. Auf Buchstaben oder Wörter zunächst gestützt zeigen lassen, dann die „Stütze“ aber zügig ausblenden.

Wortverständnis gezielt erweitern, Liste der Wörter führen, die das Kind nachweislich sicher kennt.
·        
Wenn einzelne Wörter gestützt auf dem Computer geschrieben werden können, kleine Sätze einführen, evtl. Lückentexte,

Unterschiedliche Frageformen einführen: Wo? Wann?
was? wie? Warum? Entscheidungsfragen,
·        
Präpositionen üben („Leg den Teddy auf den Tisch“ usw.)
        
Vorübungen für gestütztes Schreiben mit der Hand (Kritzeln, abgesetzte Striche, Kreise, Kreuz, Punkte verbinden,)

Gestützt malen und zeichnen, Gegenstände abbilden lassen als Wahrnehmungstraining,
Fernziel:
Bildhaft Gefühle zum Ausdruck bringen
 
Handführung am Anfang möglich, dann nur noch stützen, d.h. Bewegung muss vom Kind ausgehen.
Freies Schreiben fördern, sofern das Kind ein entsprechendes Vokabular zur Verfügung hat.
Kleine
Briefe, Tagebuch, Aufsätze usw.
 
 
8.    Ergebnis:
 
Wir können auf den umstrittenen Begriff FC (facilitated communication) verzichten, nicht aber darauf, dass autistische Kinder im Zusammen-hang mit einer  Entwicklungsförderung das  Zeigen mit dem Zeigefinger lernen mit dem Ziel, durch Zeigen auf Buchstaben zu kommunizieren, so wie es bei dem gestützten Schreiben praktiziert wird.
 
Es besteht Forschungsbedarf. Es sollte von Neurologen oder anderen Forschern, deren Forschungsgebiet das ZNS (Zentralnervensystem) ist, untersucht werden, in welcher Weise eine Berührung durch eine assistierende Person die Reizleitungen im ZNS beeinflusst. Es scheint so etwas wie die „Kraft der Berührung“ zu geben.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass autistische Kinder, die die Mitarbeit
verweigerten, über Handführung und stützendes Berühren dazu gebracht werden konnten, eine Tätigkeit auszuführen.
 
9.    Forderungen, die sich aus diesen Überlegungen ergeben:
Anträge, die sich auf eine Entwicklungsförderung beziehen, müssen zeitnah bearbeitet werden. Die Fördermaßnahmen, zu denen auch das gestützte Schreiben gehören kann, müssen in einem frühen Alter beginnen, wenn sie erfolgreich sein solle

Erwachsene Autisten, die mit Hilfe der gestützten Kommunikation kommunizieren und auf eine Stützperson angewiesen sind, dürfen nicht diskriminiert werden, indem von Behörden behauptet wird, die Gestützte Kommunikation sei unwirksam.

Es darf nicht länger verschwiegen werden, dass etliche autistische Personen mit Hilfe der Gestützten Kommunikation einen anerkannten Schulabschluss erworben haben. (Hauptschulabschluss, Mittlere
Reife, Abitur).
 
 
 
 
 

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