Dietmar Zöller

''Autisten haben keine Gefühle behauptete jemand ''



27.10.22    

Als ich ein Kind war,hörte ich Diskussionen mit,in denen es um die Frage ging haben Autisten Gefühle. Nun bin ich erwachsen und kann glaubhaft versichern,meine Gefühle sind so stark, dass die mich gerade überschwemmen und zuweilen handlungsunfähig machen. Meine autistischen Freunde/Briefreunde bestätigen was ich erlebe. Über Gefühle können nur die Personen berichten die bereit sind, intimes zu offenbaren. Nach dem mein Vater am 04. August 22 gestorben war habe ich jeden Tag Tagebuch geschrieben und versucht, mit meiner Traurigkeit fertig zu werden. Dieses Tagebuch ist so intim,dass ich es nicht Öffentlich zugänglich machen möchte. Aber einige Passagen,will ich doch offenlegen, um einen Eindruck zu vermitteln wie ich den Verlust eines geliebten Menschen erlebe.

Beispiele:

30.08.22 
Ich habe aber noch viel Trauer im Herzen und denke pausenlos an Vater. So ein kleines Grab, mehr ist nicht übrig.

01.09.22 
In meiner Phantasie, suche ich das Pflegebett, als Symbol seiner Lebendigkeit, denn trotz seiner schwäche lebte er und es gab Brücken der Verständigung.

02.09.22 
Die Kondolenzbriefe vorgelesen zu bekommen tröstet darüber hinweg, dass ich Vater nie mehr fühlen oder erleben kann. Ich weiß,dass ich für die Trauerbewältigung noch viel Zeit benötige.

05.09.22  
Aber meine Erinnerung geht zurück bis zu dem Moment,als ich mit Mutter auf der Bank saß mit Blick auf das Urnengrab. Irgendwann konnte ich die Situation nicht mehr ertragen, die Vorstellung, dass von Vater nur noch Asche übrig ist raubt mir die Möglichkeit mich zu beherrschen. Ich sprang auf und wurde sofort von Julian aufgegriffen und abseits geführt, dass war meine Rettung.

06.09.22  
Aber die Trauer ist eine Woche nach der Beerdigung gebändigt wie an dem Tag als Vater die Augen für immer schloss. Ich vermisse ihn schmerzlich wegen der ungesagten Worte die ich noch auf dem Herzen hatte.

07.09.22
  

Ich denke Tag und Nacht daran,dass eines Tages auch meine Mutter nicht mehr da ist. Ich prüfe mein Gottvertrauen, und Frage mich : werden mir die Menschen denen ich vertraue treu bleiben? Was wird sein,wenn Mutter nicht mehr ihre schützenden Hand über mich halten kann? Ich denke auch daran,dass Mutter die Kräfte zunehmend verlassen werden. Das ist der Lauf der Zeit. Ich höre die Gespräche derer mit die so alt wie Vater geworden oder auch erheblich älter sind als Vater war. Meine Mutter wird mehr und mehr zur Seelsorgerinn. Aber wer tröstet Sie in ihrer Einsamkeit?

17.09.22
Ich habe meine Trauer keinesfalls unterdrückt, als ich allein oben war. Ich habe unentwegt daran gedacht, wie er im Pflegebett gewartet hat,dass alles ein Ende hat. Ich hätte ihm so gern etwas tröstendes mit auf den letzten Weg gegeben. Ich habe es verpasst etwas tröstendes zu sagen. Nun ist es zu spät. Es gibt Ihn nicht mehr aus Fleisch und Blut. Wo ist er geblieben?

18.10.22
Ich war zum ersten mal nach der Beerdigung an Vaters Grab. Das war ein bewegender Moment. Da ist nun die Grabstätte, für den Menschen, den ich liebte. Ich kann immer noch nicht begreifen, dass da eine Urne begraben ist in der nichts als Asche ist.
Wohin soll ich mit meiner liebe?

Als ich ein Kind war,wurde manchmal behauptet: Autisten haben kein Mitgefühl, "sie können sich nicht in andere Menschen einfühlen"
Die Kondolenzbriefe die ich von meinen autistischen Freunde bekam sprechen eine andere Sprache. Hier einige Beispiele aus den Briefen:

04.08.22
Lieber Dietmar
tief ahnte ich,dass dein Vater den Schritt aus dem Leben gehen konnte.
Frieden wird er haben.
Mich hat an Deinem Vater immer berührt, wie er Hilfsbereitschaft und Ermutigung ausstrahlen konnte. Auch mir,der nicht in seiner Nähe lebte,tut es weh,dass ein so freundlicher Mensch nicht mehr da ist.
Für Dich wird es jetzt so sein,dass Du Deine Mutter stützen musst,in der letzten Zeit hat sie sicher besonders viel ertragen müssen.
Ganz herzliche Grüße an Dich,auch an deine Mutter

Lutz

07.08.2022
Lieber Dietmar!
Ich habe Deine Nachricht über den Tod Deines Vaters erhalten und spreche Dir mein Beileid aus. Ich fühle mit Dir. Zum Glück musste dein Vater am Schluss keine Schmerzen mehr erleiden. Jeden Tag habe ich für Euch gebetet.
Traurige Grüße

Dein Albrecht

08.08.2022
Lieber Dietmar
Ich habe deine Nachricht vom Tode deines Vaters bekommen. Wir senden dir unser Beileid und können deine Trauer sehen.
Es war einige Zeit,da wusstet ihr,wohin sein Weg führt. Warten und bangen war diese Zeit, Abschied nehmen und loslassen müssen. Das war schmerzlich und schwer. Hoffentlich ging dein Vater leicht ins andere Leben hinüber, Das denke ich aber schon,denn ihr habt in gehütet und umsorgt, den Weg erleichtert. Jetzt ist er aber nicht mehr bei euch,das schmerzt trotzdem. Angst ist jetzt in euch,ohne seine Gegenwart, mühen müsst ihr euch jetzt alleine. Aber trotzdem deine Mutter fast blind ist,ist sie noch stark. Ihr müsst jetzt nach vorne gehen, ohne die Liebe des Vaters,ohne seine Gegenwart.
Aber in den Herzen bleibt er euch, oft erinnert ihr euch,im Alltäglichen, in Liebe und Dankbarkeit. Das bleibt in euch allen doch zurück, auch wenn er selbst nicht mehr da ist,wo ihr seid.
Gott möge den Vater aufnehmen in seine Hände, auch möge er euch die Angst nehmen für weitermachen.
In Liebe

Markus

Von Christophs Mutter erfuhr ich das Christoph spontan seine schwarzen Schuhe aus dem Schrank holte nach dem die Todesanzeige gekommen war. Christoph war häufig mit seinen Eltern bei uns zu Gast,er kannte meinen Vater gut.

Fazit:
Wir Autisten möchten als Individuen wahrgenommen werden,verallgemeinernde Vorurteile verletzen uns.

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