Dietmar Zöller

Weihnachtsgedichte


 
Weihnachten in Äthiopien
Ein Weihnachtsbaum
im Hotel in Addis Abeba.
Gewöhnlicher Schmuck,
flackerndes Licht.
Ich gehe achtlos vorüber.
 
Biblische Bilder in meinem Kopf,
aufgenommen in Klöstern und Kirchen
bei spärlichem Licht,
beginnen zu reden
wie in alten Zeiten.
 
Die dunklen Gestalten
mit leuchtenden Augen
sind Brüder und Schwestern
bei meinem
Weihnachtsfest.
 
Dietmar Zöller, 2011




Erwartungen
 
Es kommt darauf an,
dass der, der etwas erwartet,
kein schlaraffenland sucht.
Es geht um kleine schritte,
die bewältigt werden wollen.
Ich habe gelernt mich zu bescheiden.
Große schritte überfordern mich.
Ich erwarte viel von mir.
Ich bin gefordert, nicht die anderen.
Erwartungen haben, verführt dazu passiv abzuwarten,
dass etwas geschieht.
Aufmachen, sich anstrengen, ist das geheimnis.
Wer sich auf den weg macht, hat ein ziel,
manchmal ein unerreichbares,
aber der weg ist das ziel.
(2007)



Wenn es Weihnachten wird
 
Wenn es Weihnachten wird.
denke ich an Indonesien.
Dort wurde ich im Jahre 1969
meinen Eltern in der
Vorweihnachtszeit geschenkt.
Auf einem Photo hält mich
meine damals junge
und strahlende Mutter
unterm Weihnachtsbaum
im Arm.
 
Ich wurde
als Weihnachtsgabe betrachtet.
Sehr heiß muss es gewesen sein,
denn meine Mutter trägt
ein ärmelloses Sommerkleid.
Auf dem Tisch stehen Orchideen,
die meinen Eltern
aus Anlass meiner Geburt
geschenkt wurden.
 
Damals war für meine Familie
die Welt noch in Ordnung.
Alle waren davon überzeugt,
dass auch der dritte Sohn
ein Prachtkerl war.
Auf einem anderen Photo
spielen meine Brüder
Gernot und Rüdiger,
mit ihren Weihnachtsgeschenken.
Auf der Treppe,
die zur Veranda führte,
stehen Stofftiere in Reih und Glied.
Zwei niedliche Puppen sitzen dabei.
Alle Spielsachen nähte meine Mutter,
während sie auf mich wartete.
In Medan gab es keine Spielzeugläden,
wo man Geschenke hätte kaufen können.
 
Wie liebe ich diese Photos!
Es gab in meinem Leben ein Licht.
Es gab Wärme, Freude, Glück.
Keine Erinnerung habe ich.
Aber ich warte,
dass Freude und Glück
noch einmal mein Leben
berühren.
Nachdem ich heute
nach vielen Wochen
zum ersten Mal
im Gottesdienst war,
halte ich die Adventshoffnung
fest
und will sie mir nicht nehmen lassen.
 
Ich will nicht glauben,
dass Gott mich verlassen hat.
Er hat doch mein Leben-
damals in Indonesien- gewollt.
Warum sollte er mich
aufgegeben haben?
 
Ich habe an dunklen Tagen
des vergangenen Jahres
oft geschrien:
"Mein Gott, warum hast
du mich verlassen?"
Ich habe gebettelt:
"Lass mich ruhig werden,
damit ich im Gottesdienst
bleiben kann und nicht hinaus
muss, weil mein Zappeln
die Leute stört."
Ich habe es heute geschafft.
Ich habe die Botschaft
gehört.
Ich will die Hoffnung
festhalten.
 
 
 
(1. Advent 1997)
 



 
Dunkelheit
Dunkelheit.
Weihnachten ist nicht weit.
Depressionen
verdunkeln das Leben.
Lebendigkeit.
Weihnachten mindert das Leid.
 
Unruhe
lässt Engel schweben.
Traurigkeit.
Weihnachten macht dich bereit

dem Tod
In die Augen zu sehen.
(2006)
 
Die Christrose blüht
Schnee, Eis und Kälte.
Die Christrose blüht.
Vollkommene Schönheit
in strahlendem Weiß,
umgeben vom Grün
gefiederter Blätter.
 
Wut, Hass und Grauen.
Das Krippenkind brüllt.
Verdorbene Menschheit
in sterbender Nacht,
verfolgt vom Schrei
misshandelter Kinder.
 
Gut, Geld und Liebe.
Das Krippenkind schenkt
unsägliche Großmut
im ärmlichen Stall,
begleitet vom Licht
hell leuchtender Sterne.
 (2008)
 
 
Maria und Josef (1990)



Schneerosen
Schmale Tanne
auf dem Balkon.
Viele Lichter
schmücken den Baum.
Christrosen quellen
aus irdenem Topf
 
Blütenträume
für mich, für alle,
die keine Träume
mehr haben
in unsich’rer Zeit.
 
Schneerosen
mitten im Winter.
Wohlige Wärme
in meinem Körper.
Weh denen, die frieren.
(2008)
 
 
Ich erwarte nichts
 
Ich erwarte nichts.
Aber warum horche ich
auf das Bellen Inessas,
der Hündin im Nachbarhaus?
 
Ich erwarte nichts.
Aber meine Sehnsucht
schweift in die Ferne
und sucht das erlösende Wort.
 
Ich erwarte nichts.
Aber warum halte ich Ausschau
nach Vorboten
des erlösenden Wortes?
 
Ich erwarte nichts.
Aber unbestimmte Gefühle
lassen mich erregt zurück.
 
Still und vergnügt
heiße ich die Vorboten
willkommen.
(2008)
 
Weihnachtsgedicht:
Wenn alte Menschen stöhnen
und manche sie verhöhnen,
wenn Hungernde sich laben
und eine Wohnstatt haben,
wenn kranke Menschen schweigen
und ihre Blicke neigen,
wenn harte Menschen weinen
und sich mit dir vereinen,
muss Weihnachten werden
überall auf Erden.
(2009)
 
Lichter im Regen
 
Lichter funkeln im Regen.
Weihnachten naht.
Gedanken auf vielen Wegen.
Wo finde ich Rat?
 
Glocken läuten in der Stadt.
Der erste Advent ist da.
Schlimm, wer keine Heimat hat
Doch Hilfe ist schon nah.
 
Sterne über einem Stall.
Das Krippenkind lädt ein.
Friedenswünsche überall.
Du bleibst nicht allein.
 (2009)
 
 
 
Vergessene Früchte
Schnee im November.
Die Apfelbäume
biegen sich unter
der fremden Last.
Sieh da, vergessene Früchte
wie rote Kugeln am Weihnachtsbaum.
Willkommener
Schmaus für
geschockte Vögel.
Doch wo finden Nahrung
Menschen, die
frieren und hungern?
(2010)
 
Wenn die dunklen Tage
noch dunkler werden,
lass ich mir Lichter anzünden.
Wenn es warm wird
von unzähligen Lichtlein,
will ich Lichter anzünden.
Lichter für Menschen.
die keine Lichter anzünden können.
(2010)
 

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